Ende Mai 2019 haben wir eine fünftägige Tour durch die tschechechischen Regionen Südböhmen und Mähren gemacht. Tschechien ist mit Ausnahme von Prag als Feriendestination nicht gerade in aller Munde. Nichtsdestotrotz verbringen jährlich Millionen von Touristen ihre kostbare Zeit in diesem tollen Land. Während unserer Tour haben wir auch den winzigen Ort Čížov besucht der nur wenige Kilometer von der Grenze zu Österreich entfernt liegt. Normalerweise würde man Čížov wohl keinen Besucht abstatten aber hier befindet sich einer der letzten Reste des Eisernen Vorhangs der berüchtigten Grenzbefestigung zum Zeitpunkt des Kalten Kriegs.
Čížov in Mähren:
Čížov (auf Deutsch Zaisa genannt) ist ein Ortsteil der Gemeinde Horní Břečkov in Südmähren nur rund 5 km von der Grenze zu Österreich entfernt. Die nächste grössere Stadt in der Region ist Znojmo westlich von Čížov. Die erste Erwähnung der Ortschaft stammen aus dem Jahr 1323 als König Johann von Luxemburg die Ortschaft und andere Ländereien eintauschte. In den nächsten 500 Jahren wechselte die Ortschaft wiederholt den Besitzer. Im Jahr 1849 wurde Čížov oder wie es damals hiess Zaisa eine eigene Gemeinde im damaligen Bezirk Frain das zum Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn gehörte. Die meisten der rund 300 Bewohner waren deutschsprachig. Es gab in Čížov eine Schule und eine Kapelle. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde 1918 Čížov ein Teil der neu gebildeten Tschechoslowakischen Republik. 1938 nach dem Münchner Abkommen wurde das Dorf von deutschen Truppen besetzt und dem Deutschen Reich angegliedert. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden alle deutschen Bewohner aus Čížov vertrieben und der Ort kam zur Tschechoslowakischen Republik zurück. Der nahe Grenzübergang nach Österreich wurde 1945 geschlossen.
Nationalpark Podyjí:
Der Nationalpark Podyjí wurde 1991 gegründet und gehört in der Tschechischen Republik zu den kleinsten Nationalparks. Die Ursprungsidee von Nationalparks stammt aus den USA, dort wurde 1872 mit der Gründung des Yellowstone Parks der Grundstein zu einem Erfolgsmodell des Naturschutzes gelegt. Die Idee brauchte nicht allzu lange, um auch in Europa Einzug zuhalten, hier war Schweden der Vorreiter. Der Nationalpark Podyjí ist einer vor vier Parks in Tschechien und liegt am südöstlichen Rand des Böhmisch-Mährischen Hochlandes. Eingebettet zwischen den Ortschaften Znojmo und Vranov nad Dyjí an der österreichischen Staatsgrenze, die gesamt Fläche des Parks beträgt 63 km².
Das Besondere am Nationalpark Podyjí ist der grosse Waldkomplex mit einem immensen Reichtum an Flora und Fauna. Ebenfalls aussergewöhnlich ist das rund 42 km lange schluchtartige Thayatal das gleichzeitig die Grenze zwischen Tschechien und Österreich bildet. 1997 wurde auf österreichischer Seite der Nationalpark Thayatal gegründet und mit dem Nationalpark Podyjí zusammengeschlossen. Seit dem Wegfall des Eisernen Vorhangs ist die Region ein beliebtes Ziel für Fahrradfahrer und Wanderer. Das Wegenetz ist mit 76 km Wanderwegen und 68 km Radwegen sehr gut ausgebaut und ausgeschildert. Im gesamten Nationalpark gibt es 28 Informationstafeln in drei Sprachen und mit vielen Bildern über interessante Lokalitäten informieren.
Eiserne Vorhang:
Nachdem Ende des Zweiten Weltkriegs verschlechterte sich das Klima zwischen den ehemaligen Verbündeten mehr und mehr. Jede der Partei festigte sein System in den von ihnen befreiten Gebieten. Die Tschechoslowakei wurde wieder in den Grenzen vor dem Münchner Abkommen gebildet. Die deutsche Bevölkerung besonders in den Grenzregionen wurden vertrieben oder ausgesiedelt ihr Besitz wurde verstaatlicht. 1948 im Februarumsturz ergriff die Kommunistische Partei KSČ unter der Regierung von Klement Gottwald die alleinige Macht im Land. Die Tschechoslowakei wurde mehr und mehr ein Satellitenstaat der UdSSR und damit Teil des Ostblocks und ab 1955 auch des Warschauer Pakts.
Die Grenze war nach dem Krieg noch relativ durchlässig und viele nutzten auch die Chance das Land zu verlassen, man geht von rund 12.000 Menschen aus die während dieser Zeit flüchteten. Ab 1950 wurden entlang der Grenzen zu Deutschland und Österreich eine rund 2 km Breite Grenzzonen errichtet, die man nur mit Genehmigungen betreten durfte alle Verkehrswege und Grenzübergänge in westliche Staaten wurden verbarrikadiert.
Fünf Jahre später verliessen die letzten sowjetischen Besatzungstruppen Österreich. Danach wurden die Grenzanlagen auf einer Länge von rund 809 km errichtet, ganze Dörfer wurden umgesiedelt und danach zerstört. Ein Niemandsland von einer Breite zwischen 2 und 6 km wurde errichtet und galt als Sperrzone, die niemand betreten durfte. Die Sperranlagen bestanden in der Regel aus zwei Zaunreihen bestehend aus Stacheldraht. Anfangs war ein Teil der Zäune, als Hochspannungszäune ausgelegt diese wurden mit der 1960er Jahre durch Stacheldrahtzäune ersetzt. Auch Landminen wurden an einigen Grenzabschnitten verlegt. Zwischen den einzelnen Zäunen lag der Spurenstreifen, auf ihm konnte man Spuren von Flüchtlingen erkennen und diese leichter verfolgen. Der Grenzsicherung vorgelagert waren Panzer und Betonsperren damit Fahrzeugdurchbrüche verhindert werden konnten. Weiterhin gab es entlang der Grenzsicherungsanlage Wachtürme, von denen die Grenztruppen das Gebiet beobachten konnten. Anfangs aus Holz wurde die Türme nach und nach aus Stahl gebaut sie standen in Sichtkontakt zueinander und somit konnte die Grenze Lückenlos überwacht werden.
Nach Schätzungen starben am Eisernen Vorhang in der damaligen Tschechoslowakischen Grenze rund 1000 Menschen, davon waren ca. 390 Zivilisten, die meisten anderen Toten stammten aus den Reihen der tschechoslowakischen Grenztruppen. Viele Starben durch Unfälle oder durch Suizid. Offiziell wurden 280 Grenztote gezählt.
1989 kam das Ende des Eisernen Vorhangs, nach der gewaltlosen Erhebung des Volkes der Samtenen Revolution endete die Herrschaft der Kommunistischen Partei. Bis Mitte 1990 wurden fast alle Zäune und Grenzsperren beseitigt. Nur an wenigen Stellen so wie in Čížov, Valtice und Šatov gibt es noch Relikte und Reste der ehemaligen Grenzanlagen zu sehen.
Der Begriff wurde bereits während des Ersten Weltkriegs gebraucht, wirklich prägen tat aber Winston Churchill den Ausdruck bei seiner Rede am 5.3.1946.
„Von Stettin an der Ostsee bis Triest an der Adria hat sich ein Eiserner Vorhang auf Europa herabgesenkt. Dahinter liegen all die Hauptstädte der alten Staaten Mittel- und Osteuropas. Warschau, Berlin, Prag, Wien, Budapest, Belgrad, Bukarest und Sofia. Diese berühmten Städte und die Bevölkerung ringsum liegen alle im sowjetischen Wirkungskreis, so muss ich es nennen, und unterliegen, auf die eine oder andere Weise, nicht bloß sowjetischem Einfluss, sondern zu einem sehr hohen und in einigen Fällen zunehmendem Maße der Lenkung durch Moskau.“ Quelle
Mehr Informationen:
Weitere Informationen und Broschüren zum Nationalpark Podyjí gibt es auf der Website www.nppodyji.cz alles zum Nationalpark Thayatal gibt es unter www.np-thayatal.at
Fazit:
Die Gedenkstätte zum Eisernen Vorhang bei Čížov ist ein lohnendes Ziel und sollte unbedingt auf dem Programm stehen. Die Anlage lässt sich gut mit dem Fahrrad oder dem Auto erreichen. Es gibt eine Informationstafel mit Bildern und ein Informationszentrum das einen über die Geschehnisse der damaligen Zeit informiert. Die Anlage besteht aus den rund 300 Meter langen Überresten der Sperrzäune, einem Kolonnen Weg, einem Wachturm und einigen Beton- bzw. Panzersperren. Die Besichtigung ist sehr eindrücklich und vermittelt gut die Ausmasse der Grenzsicherungen.
Weitere Ausflüge findet ihr unter der Rubrik Wanderung so zum Beispiel die Rundwanderung in Flims oder den Stadtrundgang in Laufenburg.
Kennt auch ihr Čížov oder wisst andere Ort oder Städte in der Umgebung, dann schreibt uns doch einen Kommentar dazu.
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2 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort
Habe in Sommer 1979 in Höhe Zelenzia Ruda am Teutelssee versucht die Sperranlagen zu überwinden, was aber
nicht gelang. Dort war es möglich sehr dicht an die Sperranlagen ran zu kommen, da es kaum ein Niemandsland
gab, und für Touristen zugänglich war. Dadurch war es möglich das Gebiet entsprechend aus zu kundschaften,
mit Hilfe eines Feldstechers. Nach Überwinden des Sperrzaunes wären es bloß noch ca. 500 bis 1000 Meter bis
zur richtigen Staatsgrenze gewesen.
Hallo Hannibal
Es ist eindrücklich, von deinen Erlebnissen zu lesen. Heute ist es nur noch schwer vorstellbar, wie es damals für die Menschen war, die auf der falschen Seite des Grenzzaunes gelebt haben.
Gruss
Daniel